… fühle ich mich nach einer Woche in Frankreich mit dem Deutsch-Französischen Freundeskreis Rheinstetten – Navarrenx.
Immer wieder kann ich nur staunen über die Synchronizitäten des Lebens. Da verbringe ich im Juni ein Wochenende mit dem Kinderhospizdienst, sitze am Tisch mit Micheline und erfahre, dass sie die Vorsitzende des Freundeskreises Rheinstetten-Navarrenx ist. Und da der Deportiertenfriedhof Gurs (Gurs ist ein Nachbardorf von Navarrenx) – neben Städtepartnerschaften – auch zu meinen Aufgaben in meinem früheren beruflichen Leben bei der Stadt Karlsruhe gehörte, hatten wir gleich ein Thema. Als sie nach kurzer Zeit sagte, dass noch ein Platz im Flieger frei ist zu den Feierlichkeiten anlässlich der 50jährigen Freundschaft, der 20jährigen Städtepartnerschaft und des 75. Jahrestages der Deportation badischer Juden nach Gurs, da brauchte ich nicht lange zu überlegen und sagte zu.
Gurs ist ein kleines Dorf in den Pyräneen an der Grenze zu Spanien. Am 22. Oktober 1940 wurden über 6.000 badische Juden in einer Nacht- und Nebelaktion aus ihren Häusern abgeholt, in den Zug gesetzt und in ein Internierungslager am Rande dieses kleinen Dörfchens in Frankreich gebracht. Wer über diesen traurigen und schrecklichen Teil unserer Geschichte mehr wissen will: https://www.lpb-bw.de/publikationen/helllichten/tag04.htm. 1963 hat der damalige Karlsruher Oberbürgermeister entschieden, dass man sich um den verwahrlosten Friedhof, auf dem ca. 1000 badische Juden begraben sind, kümmern müsse. Ein katholischer Pfarrer aus Mörsch machte sich erstmals im Jahr 1965 mit einer Gruppe Jugendlicher auf den Weg nach Gurs. Und aus eben dieser ersten Begegnung entstand bis heute eine Freundschaft wie man sie sich schöner kaum vorstellen kann. Ich, die ich nur Micheline kannte, habe soviel Wärme und Offenheit sowohl von den Rheinstettenern wie auch den Franzosen erlebt, ein gut organisiertes Programm – immer, die ganze Woche, war ein freundlicher und herzlicher Umgang miteinander – dass ich ganz erfüllt bin und mit Fug und Recht sagen kann, dass es die „heile Welt“ tatsächlich noch gibt. Vielleicht liegt es daran, dass die Menschen in dörflicher Gemeinschaft leben, in der ein Mensch noch als Mensch wahrgenommen wird, aber vielleicht liegt es auch an der langen Versöhnungsarbeit mit der fremden Kultur, den Schrecken der Vergangenheit (in Gurs) immer vor Augen.
Mit knapp 40 Personen reisten wir an und erlebten eine wunderbare Zeit miteinander. Untergebracht in Familien konnten wir so richtig eintauchen in die französische Kultur und Sprache.
Es wurden bei den verschiedensten Empfängen und Essen nicht nur Reden geschwungen sondern auch lecker gegessen und viel gesungen.
Interessantes lernte ich über das Baskenland kennen und war an verschiedenen Stationen und in einigen Kirchen, die auf dem Pilgerweg nach Santiago de Compostella führen; es gab sogar zwei Busfahrten, nach Bayonne und nach Spanien: Jaca
Die Weinkooperation „Jurancon“ war mehr als beeindruckend – mitten im Dorf riesengroße unterirdischen Keller! 6000 Flaschen Jurancon doux und sec lagern in einem geschmackvoll präsentierten „Cave“ ….. Und lecker ist der Wein auch, wie wir bei einer Weinprobe feststellen konnten.
Ein neues Lieblingsstädtchen in Frankreich gibt es für mich jetzt noch mitten im Baskenland: „Espelette“, fand ich doch dort sogar meinen Lieblingsparfumeur, den ich bei unserer letzten Reise nach Paris auch „ganz zufällig“ am Place de Vosges entdeckt hatte. Nicht nur die Düfte der Parfums sind betörend, auch die Einrichtung, das Flair und die Frauen, die in dieser stilvollen Umgebung arbeiten dürfen. Dann die weiß getünchten Häuschen mit dem typischen „rouge basque“, reicher Blumenschmuck und überall hängt das für die Stadt berühmte Piment – es war bei strahlendem Sonnenschein eine wahre Augenweide. Ja, kaum zu glauben, aber mitten im November schien die Sonne und wir erlebten Temperaturen wie im Sommer! Kein Wunder also, dass wir uns vom Himmel und von unseren Gastgebern mehr als reich beschenkt fühlten.
Am Donnerstag traf noch eine offizielle Delegation ein mit 12 Gemeinderäten, dem jungen Oberbürgermeister und dem Rheinstettener Jugendchor. Die „popChor“ner brachten Stimmung in die klerikale Umgebung, sorgten aber auch mit ihrem Abschlusslied „Halleluja“ gemeinsam mit dem Chor aus Navarrenx für ein prickelndes Gänsehaut-Feeling.
Die Gedenkveranstaltung auf dem Deportiertenfriedhof war schlicht mit dem neuen Bürgermeister – und zum Glück konnten wir noch die Besichtigung des Lagers organisieren, denn das war im Programm nicht vorgesehen.
Ein Gingkobaum wurde als Zeichen der Freundschaft gepflanzt, der hoffentlich die Hitze des nächsten Sommers übersteht …
Viermal – das letzte Mal vor 8 Jahren – habe ich, gemeinsam mit einer Kollegin, die alljährlich stattfindende „Commemoration“ mit organisiert. Dieses Mal konnte ich alles nur auf mich wirken lassen, konnte die Früchte der Arbeit genießen, eine lebendige Städtepartnerschaft erleben und tief in mir eine große Dankbarkeit für mein Leben spüren. Großes Mitgefühl und Trauer spüre ich aber auch bei der Vorstellung, dass Menschen nur mit einem Koffer in der Hand ihr Hab und Gut verlassen mussten und dann in der Fremde interniert wurden …. Ähnliches erleben Flüchtlinge heute. Mögen wir niemals unsere Geschichte vergessen und dem Nächsten, dem Fremden, jedem Menschen immer mit Menschlichkeit und Barmherzigkeit begegnen und die Hilfe anbieten, die wir uns bei all unserem Wohlstand leisten können. Bisou et à bientôt, eure Denara